Das Fürstlich-Schwarzburgische Naturalienkabinett
Es ist dem unbändigen Naturinteresse des Prinzen und späteren Fürsten Friedrich Karl von Schwarzburg-Rudolstadt (*1737 – regiert ab 1790 – gest. 1793) zu verdanken, dass heute in der Rudolstädter Heidecksburg eine nicht unbedeutende naturhistorische Sammlung befindlich ist. In einer Zeit, in der sich der Forscher- und Entdeckerdrang der aufblühenden Wissenschaften in den zahlreichen Kunst- und Wunderkammern spiegelte, vermochte er es, selbst ein beachtliches Naturalienkabinett aufzubauen, dessen Gründungsjahr er später, 1790 in der Niederschrift seiner Memoiren, auf 1757 datierte – eine Zeit, in der er durch einen Reitunfall und die darauffolgende Genesungsphase das Bett kaum verlassen konnte. Um diese langen Wochen zu überstehen war ihm sein Leibarzt und Geologe Georg Christian Füchsel dienlich, der ihn mit seinem Wissen bereicherte und heute als Mitbegründer des Naturalienkabinettes gilt.
Bereits 1729 existierte im Residenzschloss Heidecksburg ein Raritätenkabinett, das unter den 341 verzeichneten Gegenständen viele Naturalia enthielt. Es fiel jedoch 1735 zu großen Teilen einem Schlossbrand zum Opfer. Deshalb bedeutete es einen wichtigen Neuanfang fürstlichen Sammelns, als Prinz Friedrich Karl im Rudolstädter Stadtschloss Ludwigsburg sein Naturalienkabinett gründete. Es war am Ende des 18. Jahrhunderts eine der bekanntesten Naturaliensammlungen in Deutschland geworden.
Unterstützung gaben auch auswärtige Naturforscher wie Friedrich Heinrich Wilhelm Martini in Berlin, Johann Ernst Immanuel Walch in Jena und Friedrich Christian Günther in Kahla. Der erste, eigens dazu an der Jenaer Universität ausgebildete Kustos des Fürstlichen Naturalienkabinetts, war Christoph Ludwig Kämmerer. Ihm folgten im Nebenamt sein Bruder J. E. L. Kämmerer und August Karl Friedrich Werlich. Herausragend für die Entwicklung des Naturalienkabinetts waren dessen Kustoden Carl August Ferdinand Otto, Julius Speerschneider und Otto Schmiedeknecht. Vor allem dem Wirken von Siegfried Kuss Ende der 1940er Jahre ist der Erhalt des Naturhistorischen Museums zu verdanken.
Sammlungszuwachs erhielt das Kabinett aus eigener Sammeltätigkeit, aus Ankäufen sowie aus Schenkungen. Über Naturalienhändler gelangten die vielfältigsten Objekte aus dem Stein-, Tier- und Pflanzenreich in die Sammlung. Erst nach der Abdankung des letzten Fürsten Günther Viktor ging das Inventar des Naturalienkabinettes in das Eigentum der von ihm gegründeten Günther-Stiftung über und wurde 1919 auf die Heidecksburg umgelagert.
Seit der Gründung des Kabinettes sind heute mehr als 260 Jahre vergangen. Im Gegensatz zu den Kunst- und Wunderkammern des 18. Jahrhunderts stellte es eine reine Naturaliensammlung dar, sodass man das heutige Naturhistorische Museum als ältestes Naturmuseum Thüringensbetrachten kann, dessen Forschungspotential noch längst nicht ausgeschöpft ist. 1994 wurde das Naturalienkabinett in rekonstruierter Form im heutigen Naturhistorischen Museum im Residenzschloss Heidecksburg eröffnet. Das Naturhistorische Museum besteht als regionales Referenzzentrum, ein Archiv für die Erforschung der Artenvielfalt und für die darauf beruhende Weitervermittlung von Fachwissen. Seine Sammlungen umfassen Pilze, Pflanzen, Tiere, Fossilien, Mineralien und Gesteine. Dazu gehört eine umfangreiche Fachbibliothek, die sich durch ihren historischen Bestand besonders auszeichnet.
Im Alter von fünf Jahren zog Friedrich Karl mit seinen Eltern in das Schloss Ludwigsburg, wo er bis 1767 wohnte. In der dortigen Abgeschiedenheit, wo er sich auch der Malerei, Musik und Poesie widmete, entstand sein Naturalienkabinett. Zwei Schlüsselerlebnisse regten in ihm früh die Leidenschaft für Naturgeschichte: sein erster Besuch eines Naturalienkabinettes 1743 in Greiz und die Ansicht von Mineralien und versteinerten Hölzern in Coburg. Auf seiner Bildungsreise nach Frankreich 1755 widmete er sich Sprachstudien genauso wie der Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft, bevor er 1756 mit einem Umweg über Holland heimkehrte.
Am 26. März 1757 wurde der junge Prinz von seinem Pferd abgeworfen und mitgeschleift, wodurch er sich schwer verletzte und in einer langen Genesungsphase an das Krankenbett gefesselt war. Dabei kümmerte sich sein Leibarzt Georg Christian Füchsel um ihn, brachte ihm außerdem wissenschaftliche Kenntnisse bei und ordnete seine Sammlungen. Aus diesem Grund datierte Friedrich Karl später den Anfang seines Naturalienkabinettes auf dieses Jahr.
Als Friedrich Karl von Schwarzburg-Rudolstadt am 29. August 1790 die Fürstennachfolge antrat, war sein Verhalten und sein Körper bereits von einer schweren Nervenkrankheit gezeichnet, die seine nur knapp zweieinhalb Jahre dauernde Regentschaft überschattete. Er erlag seinem Leiden mit 57 Jahren. Fruchtbaren Einfluss auf die Geschicke seines Landes übte er aber bereits als Erbprinz an der Seite seines betagten Vaters, Ludwig Günther II., aus.